Aktionsaufruf 23. März Kreuze der ArbeitHier geht es zum Aufruf: Wir wollen uns dafür einsetzen, die Pandemie als Krise und Chance zum Wandel zu verstehen. Sie zeigt uns erschreckende Realitäten in der Arbeitswelt, die Perspektivlosigkeit arbeitsloser Menschen und wachsende Armut |
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Citykirche St. Nikolaus Aachen Ein Ort der Stille, der Klage, des GebetesIn der Zeit vom 19. – 28. März ist ein überdimensionales Kreuz in der Citykirche, Nikolausstraße 3 ausgelegt. Schauen Sie vorbei und tragen Sie Ihre Klagen, Gebete und Gedanken zum Thema vor dieses Kreuz. |
In der Citykirche St. Nikolaus liegt ein auf dem Boden ausgelegtes großes Kreuz. Dieses Kreuz bildet die
Mitte unserer Aktion „Kreuze der Arbeit“.
In der Zeit vom 19. bis 28. März haben Sie die Möglichkeit, am Kreuz Ihre Gedanken und Klagen zum Thema im Gebet vorzutragen oder schriftlich niederzuschreiben.
Dieses Kreuz steht für die Profitgier von Unternehmen, deren Renditeziele wichtiger sind als menschenwürdige Arbeitsverhältnisse. Gerade in der jetzigen Pandemiezeit werden viele Ungerechtigkeiten hinsichtlich der Arbeitsbedingungen offensichtlich, die insbesondere diejenigen betreffen, die systemrelevante Tätigkeiten ausführen:
Schlechte Bezahlung und geringe Möglichkeiten der Altersvorsorge führen zu armseligen Lebensbedingungen im Alter. Dies betrifft vor allem Frauen, für deren Tätigkeiten für Familie und Haushalt es kaum Rentenpunkte gibt.
Das Kreuz prekärer Arbeit
Wussten Sie schon, was es bedeutet, wenn die Arbeit nicht zum Leben reicht?
Während der Pandemie hat sich die Lage von vielen Alleinerziehenden nochmal deutlich verschlechtert. Es fehlt die Entlastung durch Einrichtungen wie Kita‘s, Kindergärten oder Schulen. Die Familienarbeit wird zudem ausgeweitet um die Bildungsaufgaben im „Homeschooling“.
Es ist an der Zeit für
Eine Werteverschiebung ist überfällig!
Die Pandemie zeigt uns die erschreckenden Realitäten in der Arbeitswelt und die perspektivlose Situation vieler Menschen auf, die unter finanziellen Problemen stehen.
So wollen wir dieses Kreuz sprechen lassen!
Mit dem aufgestellten Kreuz mitten in unserem Dorf setzen wir für die betroffenen Menschen ein Zeichen.
Eine besondere Gruppe für uns sind zahlreiche Paketzusteller, die unermüdlich bei Wind und Wetter für wenig Lohn ungezählte Pakete in Zeitdruck verteilen müssen.
Dieses Kreuz steht für unsere Klagen
Die Arbeitsbedingungen der Frauen und Männer in der Altenpflege sind z.T. unmenschlich: ein krankmachendes kurz getaktetes Zeitmanagement; familienfeindliche Arbeitszeiten insbesondere für Frauen und eine Bezahlung, die viele in Altersarmut führt.
Was ist das für ein System, das „Zeit für die Menschen“ nicht anrechnet, das einen Plausch mit der Oma nicht honoriert?
Wir klagen auch an, dass kirchliche Arbeitgeber sich weigerten, einem Tarifvertrag zuzustimmen, so dass unzählige Pflegekräfte gerade einmal nur den Mindestlohn erhalten.
Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands, kfd Diözesanverband Aachen hat am Klosterplatz ein Kreuz zur Forderung gleicher Bezahlung von Männern und Frauen gestaltet.
Das Kreuz mit der Pflege
Die prekäre Situation im Pflegesektor
Unser Gemeinwesen fußt auf dem Wert der Menschenwürde. Diesem Grundrecht umfassend Rechnung zu tragen, fordert Staat und Gesellschaft immer wieder stark heraus. Das gilt auch und in besonderem Maße in der Frage, wie pflegebedürftige Menschen betreut und versorgt werden. Hier prägen komplexe Hilfen, überforderte Angehörige und ausgebeutete Pflegekräfte das Bild.
Wie können Staat und Gesellschaft die Situation von betroffenen Familien verbessern? Die meisten verausgaben sich, damit der geliebte Mensch sein häusliches Umfeld nicht verlassen muss. Zu einem großen Teil schultern Frauen die zeitliche und emotionale Last, die mit dieser Sorgearbeit verbunden ist. Entweder als pflegende Angehörige oder als Live-in, als Pflegekraft, die im Haushalt mitlebt.
Nicht erst seit Corona rückt die Situation in der Pflege in den Blick. Mehrere Trends zeigen hohen Handlungsbedarf auf: Immer mehr Menschen bedürfen der Pflege. Zugleich gehen demnächst viele hauptberufliche Pflegekräfte in den Ruhestand. Die Babyboomer kommen in die Jahre. Die Schere zwischen Bedarf und ausgebildeten Fachkräften wächst dramatisch. Was tun?
Pflegende Angehörige erfahren weder einen angemessenen finanziellen Ausgleich für ihre Sorgearbeit noch haben sie Anspruch auf Erholungszeiten, auf Urlaub, auf Vertretung im Krankheitsfall. Ihren Einsatz unter einen Hut zu bekommen mit dem Beruf und weiterer Lebensgestaltung fordere ihnen enorme Kräfte ab.
Für Sie haben wir dieses Kreuz aufgestellt. Es soll mahnen, dass sich vieles in unserer Gesellschaft verbessern muss. So ist der Gesetzgeber herausgefordert, pflegende Angehörige besser zu stellen und den grauen Arbeitsmarkt von Wanderarbeiter*innen als live-ins beschäftigt sind besser zu regulieren. Unsere Gesellschaft muss gerade nach Corona einen neuen Zugang zum Thema der Sorgearbeit finden, denn allein auf Angehörige und auf Ehrenamtliche darf man die Zukunft nicht bauen, es braucht professionelle Fachkräfte, gut entlohnt und gut abgesichert, mit würdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen. Die Zeit der Notlösungen muss ein Ende finden.
2 Mrd. Menschen weltweit arbeiten im informellen Sektor: Diese ungesicherten Arbeitsverhältnisse bilden einen festen Bestandteil des Kapitalismus. Jenseits einer geregelten staatlichen Schutzordnung kämpfen Menschen weltweit um ihre Existenz: Erwachsene wie Kinder!
2 Milliarden Menschen tragen Kreuze
In der Textilindustrie, der Rohstoffförderung, dem Tourismus, die Landwirtschaft u.v.m.. Sie sind Opfer einer Wirtschaftsordnung, die tötet!
Der Zugang zu Bildung und Weiterbildung muss allen Menschen offen stehen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, finanziellen Möglichkeiten.
Die Gesellschaft muss Sorge dafür tragen:
Nur wer gut ausgebildet ist und sich weiterbilden darf, kann
WERTvoll und MENSCHENwürdig arbeiten.
Dieses Kreuz steht für den Missbrauch und die systematische Ausbeutung der Beschäftigten durch Leiharbeit, Scheinselbständigkeit und Werksverträge.
Mit der Option und dem Geschäftsmodell Leiharbeit ist es möglich, Stammpersonal zu reduzieren und auf »atmende« Randbelegschaften zurückzugreifen, die man schnell bekommt, die billiger sind und die weniger Rechte haben. Und die Pandemie zeigt: man wird sie auch schnell wieder los.
In der Fleischbranche arbeiten tausende Beschäftigte aus Rumänien, Bulgarien, Polen oder Ungarn als Werkvertragsbeschäftigte oder Leiharbeitnehmer*innen. Ihre Arbeitsbedingungen sind miserabel und die Löhne niedrig. Mangelhafter Arbeitsschutz, überlange Arbeitszeiten, dubiose Subunternehmer*innen, die im Auftrag deutscher und westeuropäischer Fleischkonzerne Arbeitskräfte in Osteuropa anwerben, die hier, meist in Unkenntnis ihrer elementarsten Rechte, im Akkord schuften und oft in katastrophalen Unterkünften untergebracht sind.
Nach jahrzehntelangem Staatsversagen beim Schutz von Beschäftigtenrechten in der Fleischindustrie hat der Bundestag am 16. Dezember 2020 den Einsatz von Werkverträgen in der Branche weitgehend verboten. Das Gesetz soll Lohn- und Sozialdumping durch Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie einen Riegel vorschieben. Außerdem sieht es schärfere Regeln für den Arbeitsschutz, die Arbeitszeiterfassung und die Unterbringung von Beschäftigten vor. Anders als frühere Reformen führt das im Dezember 2020 verabschiedete Arbeitsschutzkontrollgesetz nicht nur kleine und punktuelle Verbesserungen ein, sondern macht das bisherige Geschäftsmodell der Branche unmöglich. Die großen Fleischbetriebe sind nun verpflichtet, bisherige Werkvertragsbeschäftigte in großem Maßstab in ihre Stammbelegschaften zu übernehmen.
Bislang hat sich die Fleischindustrie vielen Regulierungsversuchen erfolgreich widersetzt. Ob es jetzt gelingt, endlich faire Arbeitsbedingungen durchzusetzen, hängt vor allem davon ab, ob die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden ihre Kontrollfunktion in den Schlachthöfen ausüben werden.
Dieses Kreuz und die Blumen stehen hier an der Josefskirche, nicht weil ein Unglück passiert ist, aber weil viele Menschen und besonders Frauen mit einer Fluchtgeschichte in unglücklichen Arbeitssituationen arbeiten oder keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Auch wenn jede Frau ihre ganz eigene Geschichte hat, gibt es vor allem auch von Seiten des Staates und der Institutionen Faktoren, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren. Hohe Sprachanforderungen, lange Anerkennungsverfahren, eingeschränkte Kinderbetreuung, soziale Isolierung aufgrund der Wohnsituation, fehlende Informationen über Arbeitsmöglichkeiten sowie fehlende Förder- und Schulungsmaßnahmen führen dazu, dass viele geflüchtete Frauen und ihre Familien unter dieser Situation leiden. Damit sich daran etwas ändert, brauchen wir faire und solidarische Strukturen in Politik und Gesellschaft. Am Ende seines Kreuzweges zeigt Jesus, wie wichtig es ist, solidarisch zu sein, sich umeinander zu sorgen und füreinander da zu sein. Er vertraut seine Mutter Maria seinem besten Freund und Lieblingsjünger Johannes an, die sich gegenseitig helfen werden, durch schwierige Zeiten zu kommen:
Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus die Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zur Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.
(Bibel, Neues Testament, Buch Johannes, 19, 25-27)
Ursula Heck (Trauerpastoral Grabeskirche St. Josef) und Yasmin Raimundo (Pfarrei St. Josef und Fronleichnam)
Dieses Kreuz klagt an
Dieses Kreuz steht für Arbeitnehmer aus Deutschland und Europa, die im Speditions-, Transport- und Reisegewerbe unter prekären und inhumanen Arbeitsbedingungen arbeiten und von sogenannten „Personaldienstleistern“ ausgebeutet Opfer eines europaweiten Lohndumpings sind. Spedition und Logistik ist ein internationales Geschäft. Weltweit operierende Unternehmen nutzen diese Situation für ihre Interessen.
Die Situation für viele Lastwagenfahrer, vor allem aus Osteuropa, häufig als Soloselbständige auf Tour, ist menschenunwürdig.
Wir haben Zukunftsängste!
Dieses Kreuz steht für die Arbeitnehmer*innen von Continental und die Unsicherheit von Arbeitnehmer*innen und ihrer Angehörigen im Konzern weltweit, die um Ihre Arbeitsplätze bangen.
Vom Vorstand des Reifenherstellers Continental wurde beschlossen, weltweit 30.000 Stellen (von 232.000) abzubauen. Das betrifft in Deutschland 13.000 Arbeitsplätze an verschiedenen Standorten.
Der Schock in der Belegschaft und der Bevölkerung saß tief, als im Sommer 2020 bekannt wurde, dass der rentable und fast seit 100 Jahren bestehende Produktionsstandort Aachen mit 1.800 Beschäftigten zum 31.12.2021 geschlossen wird. Gewerkschaft und Betriebsrat verhandeln mit der Konzernleitung, wie es weitergehen soll. Die Beschäftigten sind weiterhin in Sorge um ihre Arbeitsplätze. Viele von ihnen haben Zukunftsängste.
„Du sollst einen notleidenden und armen Tagelöhner unter deinen Brüdern oder unter den Fremden, die in deinem Land innerhalb deiner Stadtbereiche wohnen, nicht ausbeuten.“ (Dtn 24,14)
Die Pandemie hat die seit Jahrzehnten stattfindende Erosion der Arbeitswelt für uns alle sichtbar gemacht. Die Krise trifft mit Wucht auf entsicherte Arbeitsmärkte und verschärft die gesellschaftliche Spaltung. Die Debatte über systemrelevante Berufe hat z. B. die Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Unverzichtbarkeit und tatsächlicher Entlohnung sichtbar gemacht. Der kollektiven Dankbarkeit sind aber bisher keine Maßnahmen gefolgt.
Mit der Aktion „Kreuze der Arbeit“ wollen wir prekäre Lebenslagen von Beschäftigten öffentlich machen und uns dafür einsetzen, die Pandemie auch als Chance zum Wandel zu verstehen. Sie zeigt uns einerseits erschreckende Realitäten in der Arbeitswelt, die Perspektivlosigkeit arbeitsloser Menschen und wachsende Armut. Andererseits zeigt sie aber auch, dass immer mehr Menschen erkannt haben, dass gute Arbeit für alle Menschen weltweit „Not wendend“ wäre.
Wir stellen fest