Lange Wege an die Krippe

Die KAB Antonius öffnete Türen im Grüngürtel

Weihnachten (c) Stephan Johnen, KiZ Aachen
Datum:
Fr. 19. Jan. 2018

Die Kirchenzeitung Aachen berichtet

Mitten im Schneetreiben hat sich vor einigen Jahren im Stadtteil Birgel ein Mann auf den Weg gemacht, um zu Fuß in den Grüngürtel zu gehen.

Weder 30 Zentimeter Neuschnee noch vereiste Gehwege konnten ihn davon abhalten, an der Feier für ältere und alleinstehende Menschen im Thomas-Morus-Haus teilzunehmen. Ein Essen, viele Weihnachtslieder und manches Gespräch später hat er sich auf den Rückweg durch die finstere Nacht gemacht. Soweit die wahre Geschichte. Manchmal sagt eine einzelne Tat mehr als tausend Worte. Besonders an Heiligabend. Zugegeben, die meisten Besucher der Weihnachtsfeier in der Begegnungsstätte von St. Antonius in der GdG St. Lukas kommen aus der Nachbarschaft. Doch die Tür steht am Heiligen Abend allen Menschen offen, die Weihnachten nicht alleine feiern möchten. Und manchmal, so scheint es, ist kein Weg zu weit.

Lieselotte von Ameln und ihre Helfer, die seit neun Jahren ehrenamtlich die Feier ausrichten, können weitere anrührende Geschichten erzählen. In einer kommt ein Senior vor, der den Sonntagsanzug aus dem Schrank holte und die Bügelfalten nachzog, um korrekt gekleidet zu sein. Eine andere handelt von einem Mann, der beim Verkosten der Rindfleischsuppe in Tränen ausbrach. Nicht, weil sie versalzen war. Vielmehr, weil die gelernte Hauswirtschafterin Lieselotte von Ameln die Suppe so gekocht hatte, wie die verstorbene Frau des Gastes es immer tat. Es sind Geschichten von Herzlichkeit, aber auch von Melancholie. Es sind Geschichten von Freude, aber auch von Trauer. Und von vielen Gästen kennen die Gastgeber mittlerweile die komplette Lebensgeschichte. Die ersten Anmeldungen für die Weihnachtsfeier nehmen die Organisatoren bereits im Sommer entgegen. Einige der meist älteren Stammgäste kommen unangekündigt – und werden dennoch bereits erwartet. Bis zu 50 Gäste finden im Thomas-Morus-Haus Platz, abgewiesen wird niemand, notfalls rücken alle enger zusammen. In den vergangenen Jahren kamen zunehmend Menschen aus anderen Stadtteilen in den Grüngürtel – und auch Flüchtlingsfamilien wurden herzlich in den Kreis aufgenommen. „Ohne Spender und Sponsoren wäre das nicht möglich“, bedankt sich Lieselotte von Ameln für die kontinuierliche Unterstützung.

Das Orgelspiel gehört traditionell dazu

Als die Ehrenamtler aus dem Führungskreis der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung St. Antonius vor neun Jahren das erste Mal die Feier organisierten, wussten sie nicht, was sie erwartete. „Es war ein Schuss ins Blaue“, sagt Günther von Ameln. Die Organisatoren haben einen Nerv getroffen. „Die Einsamkeit in der Gesellschaft nimmt immer weiter zu“, bedauert Helferin Marianne van Kempen. Wer sich Heiligabend im Thomas-Morus-Haus engagiert, macht den Gästen ein wertvolles Geschenk: eine Spende von Zeit, Empathie und Gemeinschaft. Viele Helfer der ersten Stunde sind auch in diesem Jahr noch dabei, neben dem Ehepaar von Ameln Irmtraud und Karl Werner Schmidt, Marianne und Jakob van Kempen, Karl Heinz Wolf und Brigitte Koth. Obermessdiener Dennis Kwasny spielt für die Gäste die Orgel, das ist Tradition. „Ich lege Wert auf Besinnlichkeit“, erklärt Lieselotte von Ameln.

Neben dem Weihnachtsevangelium werden Geschichten vorgelesen, die Gäste singen zusammen, es gibt ein Geschenk für jeden. Die Vorbereitungen beginnen in jedem Jahr ein wenig wie die Herbergssuche: mit Klinkenputzen. Die Lebensmittel für die Geschenktüten und das Büfett müssen organisiert und Spender aktiviert werden. Die Adventswochenenden verbringt Lieselotte von Ameln zum Teil in der Küche: Die Rouladen, die am 24. Dezember aufgetischt werden, hat sie bereits Anfang des Monats gekocht und eingefroren. Am Heiligen Abend selbst wird auf mehreren Herden parallel gezaubert, damit drei bis vier Gänge Form annehmen. Alle Helfer bringen Nachspeisen mit, wobei Vanille- und Schokoladenpudding Pflicht sind. „Ich mache gerne mit, weil es Spaß macht“, erklärt Marianne van Kempen. „Es ist zwar viel Arbeit, aber jeder Helfer bekommt auch viel zurück, die Dankbarkeit der Menschen ist groß.“ Mit den eigenen Familien wird meist am ersten Weihnachtstag gefeiert.

Wenn alle Gäste gegangen und zum Teil nach Hause gefahren worden sind, der Abwasch erledigt ist und die Kerzen ausgepustet wurden, besuchen die Helfer meist um Mitternacht die Christmette im Dürener Karmel. Mit Blick auf das kommende Fest hat Lieselotte von Ameln auch einen eigenen Weihnachtswunsch: „Ich hoffe, dass wir alle möglichst lange gesund und munter bleiben, damit wir weitermachen können“, sagt die 68-Jährige. Die Helfer sind allesamt zwischen 60 und 69 Jahre alt. Nachwuchs ist derzeit nicht in Sicht. Aber wer weiß, was das neue Jahr bringt.

von Stephan Johnen