Westdeutsche Zeitung, Krefeld:
Arbeit um jeden Preis? Solche Beschäftigungsverhältnisse will die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) der Diözese Aachen und anderswo in Deutschland nicht mehr akzeptieren. „Deine Arbeit ist WERTvoll“, heißt daher auch die neueste Kampagne der Vereinigung, die am 5. Mai im Kulturzentrum Südbahnhof mit einem Vortrag des Sozialethikers Professor Dr. Franz Segbers beginnt. „Den Schrei der Armen hören“, lautet der Titel der Rede, in der der Konstanzer kritisch und einordnend Stellung beziehen will.
Die KAB hat sich als Ziel gesetzt, prekäre Arbeit abzuschaffen, nicht nur in Deutschland und der Welt, sondern auch in der katholischen Kirche. Beschäftigung solle überall und jederzeit menschenwürdig sein. „Arbeit muss fair sein und wertvoll. Sie ist die eigentliche schöpferische Kraft in unserer Welt“, sagt Uwe Schummer, Christdemokrat aus Willich, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der KAB Mittlerer Niederrhein. „Sie verdient mehr Wertschätzung, Mitbestimmung und Humanisierung.“
Denn Arbeit könne eben auch zerstören, so geht es weiter in einem Schreiben der Bewegung. „Die Pandemie hat wie durch ein Brennglas gezeigt, wie die industrielle Schlachtung, Logistik und Paketdienste Menschen verschleißen.“ Werkverträge und Subunternehmen seien missbraucht worden, um Arbeitskräfte aus Rumänien und Bulgarien aus ihren Familien nach Deutschland zu locken. „Mit falschen Versprechungen erhielten sie Billigtarife. Statt den vereinbarten Lohn gab es willkürliche Abzüge für Fahrten, Matratzengeld und Schrottimmobilien.“ Schummer nennt es „Ausbeutung“, was da zum Beispiel in den Schlachtereien zu beobachten war.
Auf dem Handzettel gehen die Vorwürfe an die Wirtschaftsunternehmen weiter. Grundlegende Rechte würden vorenthalten, infizierte Mitarbeiter seien in andere Betriebe oder nach Hause in ihre Familien in ein marodes Gesundheitssystem geschickt worden. „Eine Art des Wirtschaftens, die tötet“, schreibt die KAB mit deutlichen Worten.
Mehr Mitsprache in Firmen durch Betriebsräte
Werkverträge gehörten daher generell verboten, fordert die Katholische Arbeitnehmerbewegung. „Eine Tarifbindung soll Normalität sein“, sagt Uwe Schummer. Auch soll den Mitarbeitern ein Mitspracherecht in Form von Personal- und Betriebsräten eingeräumt werden.
Außerdem setzt sich die KAB für bessere Bezahlung ein. Sie fordert einen Mindestlohn von 14,09 Euro, außerdem eine Reform und einen Ausbau der Allgemeinverbindlichkeitserklärung, dazu eine Neuregelung der Leiharbeit und vor allem ein Lieferkettengesetz in Deutschland und Europa. „Das Jobwunder der letzten Jahr beruht fast ausschließlich auf der Ausweitung prekärer Arbeit“, heißt es in der Broschüre der KAB. Arbeitskraft nur als Produktionsfaktor? Das widerspreche den Forderungen der kirchlichen Soziallehre.
Teil der Kampagne ist der Krefelder Künstler Klaus Polenz („Kunst & Kommunikation“), der während seiner Lehre zum Textilveredler Einblicke in die Arbeitsbedingungen gewann und Missstände wie Lärm, unzureichende Schutzmaßnahmen und versteckte Ausbeutung erlebte. „Die Arbeit soll ein Gewinn beider Seiten sein – und keine Niete im Schatten einer Unwürdigkeit“, lässt er sich zitieren. Polenz hat das Gemälde zur Kampagne entworfen, das er am 5. Mai bei der Eröffnungsveranstaltung im Kulturzentrum Südbahnhof auch präsentieren wird.
Außerdem möchte die KAB auch die Krefelder animieren, sich Gedanken über das Thema der Arbeitswelt zu machen. Die Frage lautet: Was macht wertvolle Arbeit aus? Die Menschen sollen sogenannte Schatzkisten gestalten. Vorlagen dazu sind in den Räumen der Arbeitnehmerbewegung erhältlich. Kreativität ist gefragt. Die Ergebnisse sollen Teil von Aktionen und Ausstellung und des Gottesdienstes sein, der am 7. Oktober stattfindet. Der Arbeiter-Priester Albert Koolen wird diese Messe leiten. Die KAB möchte zudem diese Werke für ihre politische Arbeit gegen prekäre Beschäftigung nutzen. Eine Versteigerung sei sogar auch vorstellbar, wie Günter Weber, Sekretär bei der Krefelder KAB, erklärte.
Zudem beteiligt sich die Bewegung auch an einer Unterschriftenaktion an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Sie fordert eine Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro.
Autor: André Lerch, Westdeutsche Zeitung