Wir haben alle die bild- und symbolmächtige Verkündigung der Wahl des neuen Papstes Leo XIV verfolgen und deuten können. Eine solche Wahl markiert immer einen Moment in der Geschichte der katholischen Kirche, in dem in hoher Dichte Hoffnungen beschrieben und Erwartungen an den neuen Papst formuliert werden. Dass der Ruf und ein Gebet um Frieden als erstes über den Petersplatz erklangen, findet unserer aller Zustimmung zum neuen Papst. Ebenso wie seine Aufforderungen zum Dialog als einzigem Heilmittel auf „der Suche nach Frieden, nach Gerechtigkeit“.
Mit der Namenswahl des neuen Papstes nehmen wir einen ersten Faden auf. Schließlich hat die Begründung der Katholischen Soziallehre durch Leo XIII das Engagement der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung, KAB grundlegend geprägt und mit seiner Aussage aus Rerum Novarum 17, 34 (den „Neuen Dingen“) auf den Punkt gebracht: „Es ist eine ungeheuerliche Ungerechtigkeit, die Arbeit des Menschen und seine Arbeitskraft niedriger zu schätzen als lebloses Kapital. Es ist gegen die menschliche Würde und gegen die Gerechtigkeit, den Arbeiter für einen Hungerlohn arbeiten zu lassen, der nicht einmal für den Unterhalt einer Familie ausreicht - so heißt das Gewalt leiden, und die Gerechtigkeit erhebt gegen einen solchen Zwang Einspruch.“ Leo XIII betonte damit, dass die menschliche Arbeit nicht als bloßes Produktionsmittel behandelt werden darf, sondern alle Menschen mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind.
Auch Franziskus, auf den sich der neue Papst ausdrücklich beruft, greift diesen Faden immer wieder auf und schreibt in seiner Botschaft zum 4. Welttag der Armen, 2020: „Der leise Schrei der vielen Armen muss immer und überall das Volk Gottes an vorderster Front antreffen, damit es ihnen eine Stimme verleiht, sie verteidigt und sich mit ihnen angesichts so vieler Scheinheiligkeit und nicht erfüllter Versprechen solidarisiert und sie am Leben der Gemeinschaft teilhaben lässt.“ Hier sei in Ergänzung auch der von Franziskus benannte Schrei der Schöpfung noch erwähnt. Hoffen wir alle, jemand hat ihm nach seiner Wahl noch zugerufen: Vergesse die Schöpfung nicht!
Gerade uns in der KAB eint die gemeinsame Hoffnung, dass der neue Papst diese Fäden aufgreift, ihnen Kontinuität verleiht und denjenigen nahe sein will, die leiden. In dieser Hinsicht hat Franziskus der Kirche schließlich gutgetan. Danke, Papst Franziskus.
Mit der Wahl verbinden wir aber auch ganz konkrete Erwartung an den Prevost-Papst, durch eben jene Türen hindurch zu gehen, die Papst Franziskus geöffnet hat (aber nicht einrennen wollte). Das Stichwort Synodalität hat Leo XIV in seiner Ansprache bereits benannt. Wie verträgt sich das klerikale Erscheinungsbild der Kirche mit der Aussage von Franziskus, auf den Spürsinn des Volkes Gottes zu bauen? Immer noch überschatten weltweit erschreckende Fälle von Kindesmissbrauch die katholische Kirche und mangelt es an Aufarbeitung und strukturellen Veränderungen.
Welche Rolle kommt den Frauen zu? Unter Leo XIV muss der Gesprächsprozess über die Mitbestimmung von Frauen in der Kirche weitergeführt werden. Es geht um die rechtlich gesicherte Mitsprache der Frauen bis zum Zugang zu sakramentalen Weiheämtern - Diakonin, Priesterin, Bischöfin.
Eben dies bilden „neuen Dinge“.