Ehrenamtliche der KAB beschenkten LKW-Fahrer:innen

Rastplätze gesucht – ein Bericht von Michaela Bans (Kirche im WDR) über den ausbeuterischen Alltag von LKW-Fahrer:innen

(c) Gulbins
Datum:
Mi. 31. Jan. 2024

2 Meter 35. Das ist die maximal erlaubte Länge einer LKW-Fahrerkabine. Und da muss alles reinpassen: ...

... der Fahrersitz als Arbeitsplatz und Fernsehsessel, das Bett für die Pausen, zum Schlafen, essen, lesen, Emails schreiben. Die komplette Wäsche für einige Wochen muss rein, die frische, die schmutzige und die nasse. Und eine improvisierte Küche muss in der Fahrerkabine Platz finden. Und natürlich der Mensch, der auf diesen paar Quadratmetern arbeitet, und oft wochenlang lebt.

Seit einigen Monaten fahre ich anders über die Autobahn. Ich sehe die vollen Parkplätze. Und die LKW’s, die zum Teil auf dem Standstreifen stehen, weil sie auf keinen Parkplatz mehr kommen. Und ich weiß: Da verbringen gerade Menschen ihren fahrfreien Sonntag auf engstem Raum, mitten an der lauten Autobahn.

Mitte Dezember haben 1700 dieser LKW-Fahrer, ein paar von ihnen sind Fahrerinnen, Besuch bekommen. Im ganzen Bistum Münster – vom Oldenburger Land im Norden bis zum Niederrhein im Süden, haben sich Frauen und Männer der KAB auf den Weg gemacht, um möglichst viele Park- und Rastplätze des Bistums zu besuchen. Die KAB ist ein katholischer Verband, der sich für Arbeitnehmerrechte einsetzt. Etliche Ehrenamtliche hatten Wochen vorher ehrenamtlich Spenden gesammelt, um Geschenktüten packen und verteilen zu können - mit Grüßen in 13 Sprachen, Schokolade, Keksen, Duschmarken. Luxusartikel für Menschen, die nicht mal den Mindestlohn bekommen, weil sie nicht bei deutschen Unternehmen angestellt sind, sondern im Ausland, wo andere Regeln gelten. Das Land, aus dem sie kommen, oft tausende Kilometer entfernt. Zugleich leben und arbeiten diese Männer und Frauen oftmals monatelang am Stück ausschließlich auf deutschen Straßen. Fahren hier unsere Waren vom deutschen Unternehmen A zum deutschen Unternehmen B. Sie müssen unsere Preise zahlen. Nur unsere Arbeitsrechte gelten für sie nicht.

An diesem Sonntag im Dezember klopfen also Wildfremde sozusagen an die Schlafzimmertür dieser Fahrer. Und beim Anklopfen gabs reichlich nervöses Herzklopfen: „Wie werden die LKW-Fahrer reagieren? Was sollen wir sagen? Finden sie das gut, dass wir sie beschenken? Oder schicken sie uns weg?“ Solche Fragen gingen vielen durch den Kopf, an diesem Dezembertag. Und auf der anderen Seite der Tür herrscht tatsächlich oft auch erstmal Unsicherheit. Wer sind diese Menschen und was wollen die? In den meisten Fällen ist der Bann schnell gebrochen. Es gibt Tränen der Rührung. Es gibt Gespräche – irgendeine gemeinsame Sprache findet sich immer. Fotos von der Familie werden gezeigt. Lebensgeschichten erzählt, zumindest Teile davon, mit Händen und Füßen. Klar: Manche Begegnungen sind auch ganz kurz, ein bisschen beschämt. Schenken und sich beschenken zu lassen kostet Mut. Und an eine fremde Tür zu klopfen erst recht. Aber nur mit Mut lässt sich was verändern. Und für die Beteiligten hat sich was verändert: Wer an diesem Tag dabei war, fährt nicht mehr gedankenlos an den LKW-Schlangen vorbei. Weil klar ist, da arbeiten und leben Menschen drin. Zum Teil unter Bedingungen, die einen fassungslos machen. Als nächstes verschicken eben diese Männer und Frauen der KAB Briefe mit Forderungen. An Politikerinnen und Politiker im ganzen Land. Auf dass alle Menschen, die auf den gleichen Autobahnen in unserem Land arbeiten, auch die gleichen Rechte erfahren. Es ist der Mut solcher Männer und Frauen gewesen, der immer wieder Arbeitsrechte, Menschenrechte erkämpft hat. Wie gut, dass sie nicht damit aufhören. Wie gut, dass Mut immer wieder nachwächst.

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