Arbeit muss wieder wert-voll sein

Die KAB startet eine Kampagne zum Thema prekäre Arbeit. Es ist auch der Schwerpunkt der Soli-Kollekte.

Kämpfen gegen prekäre Arbeitsverhältnisse: Günter Weber (l.) und Uwe Schummer von der KAB (c) Kathrin Albrecht, KirchenZeitung für das Bistum Aachen
Datum:
So. 1. Mai 2022

KirchenZeitung für das Bistum Aachen:

Prekäre Arbeit entsteht nicht zufällig. Sie ist eine Folge unseres Wirtschaftssystems und eine Folge fehlgesteuerter Arbeitsmarktpolitik. Die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) legt mit ihrer bundesweiten Kampagne den Fokus auf dieses Thema. Im Bistum Aachen ist zum Auftakt am 5. Mai eine Veranstaltung in Krefeld geplant.

Die Corona-Pandemie, sagt Uwe Schummer, Bezirksleiter der KAB Mittlerer Niederrhein und ehemaliger Bundestagsabgeordneter aus dem Kreis Viersen, hat in den letzten zwei Jahren wie ein Brennglas gezeigt, wie prekäre Arbeit stattfindet. Die katastrophalen Zustände in den Schlachthöfen waren ein Beispiel. Durch die Kühlung in den Zerlegestationen war das Infektionsrisiko der Arbeitskräfte, meist aus den osteuropäischen Ländern, bis zu achtmal höher als normal. Durch die Werksverträge bestand kein gesichtertes Arbeitsverhältnis. „Infizierte Arbeitskräfte wurden weitergeschickt oder infiziert nach Hause geschickt – in ein oft marodes Gesundheitssystem. Das ist wirklich eine Wirtschaft, die tötet“, beschreibt es Schummer. Inzwischen wurde ein Verbot der Werksverträge im Kernbereich der Schlachthöfe erreicht. Doch: „In vielen Bereichen findet eine Wertschätzung der Arbeit nicht statt. Dabei ist Arbeit eine starke schöpferische Kraft.“

Die Ursache für diese Entwicklung sieht Schummer in der Wirtschaftspolitik der 90er Jahre. Viele Unternehmen stiegen in den Nachwendejahren aus der Tarifbindung aus. „Man war der Meinung: Jetzt, wo der Sozialismus besiegt sei, müssten die dynamischen Prozesse des Wirtschaftens entfesselt werden.“ Neoliberale Ideen prägten die Wirtschaft bis zur Finanzkrise 2008. Doch ein Gegensteuern sei schwierig. Hier, ist Schummer überzeugt, hätte Kirche das Potenzial, sich zu positionieren. Die KAB sehe sich als Stimme der Arbeit in der Gesellschaft und Kirche sowie Kirche in der Arbeitswelt. Sie setzt sich für einen Arbeitslohn ein, der zum Leben reicht. Außerdem müsse die Tarifbindung gestärkt werden.

„Die Tarifbindung liegt in Deutschland unter 50 Prozent. Wir wollen österreichische oder schwedische Verhältnisse, wo die Tarifbindung bei 90 Prozent liegt“, unterstreicht Schummer. Dies wiederum gelinge nur durch eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte und der betrieblichen Mitbestimmung. Es müsse leichter werden, einen Betriebsrat zu gründen, gerade auch für die Online-Start-ups oder internationale Konzerne, die hier eine Dependance bilden. Nicht zuletzt müssten die Initiatoren eines Betriebsrates besser geschützt werden.

Die Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung, hebt Uwe Schummer hervor, sei eine Kernidee der katholischen Soziallehre. In diesem Zusammenhang sieht er auch die katholische Kirche in der Pflicht: „Kardinal Höffner hat einmal sinngemäß gesagt, dass eine Kirche, die ein eigenes Arbeitsrecht hat, nur akzeptabel sei, wenn es besser ist als das zivile Arbeitsrecht.“ Da sei aus seiner Sicht viel zu entrümpeln, Stichwort Loyalitätspflichten. Vor dem Hintergrund der Bewegung #outinchurch, die für eine Kirche ohne Angst kämpft, forderte auch die KAB des Bistums Aachen eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts. Die Frage des Familienstandes dürfe keine Relevanz mehr haben. „1,5 Millionen Beschäftigte erwarten von ihrer Mutter Kirche, dass sie nicht als Angestellte mit minderen Rechten behandelt werden“, verdeutlicht Schummer. Ihn irritiere auch, dass im Missbrauchsskandal „die Loyalität der Kirche gegenüber übergriffigen Tätern höher war als gegenüber den Opfern“.

Dass die Bekämpfung prekärer Arbeitsverhältnisse nicht nur ein nationales, sondern ein internationales Anliegen ist, soll in der KAB-Kampagne ebenfalls deutlich werden.

Das Anliegen steht auch im Mittelpunkt der Auftaktveranstaltung der Kampagne „WERTvoll arbeiten“ am Donnerstag, 5. Mai, 18.30 Uhr im Kulturzentrum Südbahnhof, Saumstraße 9, in Krefeld. Die Veranstaltung findet im Rahmen der Solidaritätskollekte für arbeitslose Menschen im Bistum Aachen statt, die am 1. Mai startet. „Mitträger der Veranstaltung ist neben dem KAB-Diözesanverband der Koordinationskreis Kirchlicher Arbeitsloseninitiativen“, erläutert Günter Weber, Leiter des KAB-Zentrums in Krefeld.

Der bekannte Sozialethiker und emeritierte Professor Franz Segbers wird in seinem Vortrag „Den Schrei der Armen hören“ die Positionen der KAB zum Thema kritisch kommentieren und sozial- und arbeitspolitisch einordnen.

Eine wichtige Rolle spielt dabei auch ein Bild des Krefelder Künstlers Klaus Polenz, das er für die Veranstaltung geschaffen hat und das in deren Rahmen vorgestellt wird. Darin präsentiert er seine Vorstellungen von prekärer Arbeit. Polenz machte in seiner Ausbildung zum Textilveredler auch eigene Erfahrungen mit prekären Arbeitsverhältnissen.

Autorin: Kathrin Albrecht, KirchenZeitung für das Bistum Aachen

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