Seither sind über 100 Schülerinnen und Schüler ohne Vorstellung von der eigenen beruflichen Perspektive auf den Weg gebracht worden.
Drei von ihnen sind Jan Corsten, Nico Janßen und Silvia Mroczek. „Das sind Ringeltauben“, sagt Karl-Heinz Wurth, ein Mann der ersten Patenprojekt-Stunde, und kürzt damit bildlich ab, dass nicht alles im Rückblick Zuckerschlecken war. Mit „80+“ gehört der Pensionär „aus der Schuhindustrie“ in der Runde zu den Senioren. Trotzdem bringt er Silvia Mroczek ins Schwärmen: „Er hat mir super geholfen, war immer da, hat sich für mich eingesetzt, recherchiert bis zum Gehtnichtmehr, kam mit allen Informationen zu mir nach Hause…“, und beschreibt so in aller Kürze die große Aufgabenpalette, die die heute rund 15 Ehrenamtlichen der KAB für die Jugendlichen übernehmen.
Die inzwischen fertige Steuerfachangestellte wollte ursprünglich „unbedingt zum Zoll“. In der Findungsphase hat sie Pate Wurth begleitet: „Ich habe ihr viel freie Hand gelassen. Die Entscheidungen hat sie selbst getroffen.“ So kam nach dem Abschluss an der Gesamtschule das Abitur auf dem Berufskolleg in der Fachrichtung Wirtschaft und Verwaltung. Mit Erfolg absolvierte sie die anschließende Ausbildung – und immer noch besteht der Kontakt zum Mentor, der mit einem Seitenblick auf Silvia Mroczek sagt: „Es ist ihr ein bisschen langweilig.“ Diese wiegt den Kopf: „Bilanzen, Buchhaltung, Steuererklärung… Ich stehe nicht so gerne hinter dem Finanzamt“, sagt sie kokett, obschon sie weiß, dass hier eine krisensichere Anstellung winken würde. Das Ziel ist inzwischen die Wirtschaft. „Ich will in der Verwaltung bleiben, aber in die großen Firmen.“
Die Idee des Patenprojekts ist ein Import aus Aachen. Am runden Tisch des Bischofs mit Kammern und Gewerkschaften wurde 2005 die schwierige Situation diskutiert, dass Jugendlichen ohne Abitur oder wenigstens mittlerer Reife, heute Fachoberschulreife genannt, gar nicht erst Ausbildungsplätze angeboten wurden. „Die Betriebe“, erklärt Helmut Bovenkamp, „hielten sie für ausbildungsunfähig.“ Das galt für schulische wie soziale Kompetenzen. Die KAB besann sich auf ihre eigenen Stärken und Ressourcen aus den eigenen Reihen, „1:1“-Bewerbungstrainings anzubieten, Brücken und Kontakte zu Firmen zu „bauen“. So startete 2006 an zwei Aachener Schulen das Projekt, und die Werbetrommel im eigenen Verband wurde gerührt.
Die hörte am Niederrhein Willi Leven, seines Zeichens Meister der Kfz-Mechatronik. „Willi ist einer, der sagt: Wunderbar, tolle Sache, das können wir doch sicher auch machen“, erzählt Helmut Bovenkamp, und von seinen Zweifeln, dass es gelingen könnte, genügend Ehrenamtliche zu mobilisieren, die neben Zeit auch Geld – „es gab keine Flatrate“ – und gute Worte einsetzen würden. „Wenn Du eine Handvoll bringst, bin ich dabei“, versprach ihm Ingenieur Bovenkamp und hat Wort gehalten. Bis heute.
Schnell konnte die Gesamtschule Brüggen für dieses Projekt gewonnen werden, und so startete die KAB mit acht Paten zur 1. Ausbildungsmesse am Tag der offenen Tür im November 2007. Im ersten Jahrgang wählten die Lehrer die „Patenkinder“ aus und stellten den Kontakt her. Es waren Zehntklässler, die noch keinen Ausbildungsplatz hatten und auch noch nicht wussten, was sie werden wollten. Aber „es waren nicht die schlimmsten Chaoten“, sagt Leven und schmunzelt. Und der Erfolg? Sieben von acht brachten die KAB-Paten „in Ausbildung“.
Natürlich hat sich auch das Projekt weiter entwickelt, Veränderungen und Rückschläge erlebt. Die Begleitung beginnt beispielsweise seit 2008 in Klasse 9, um mehr Zeit zu haben; Beratungsstunden wurden monatlich angeboten und mangels Nachfrage wieder eingestellt; auf dem Laufenden bleiben müssen die Paten, egal ob „KAOA – Kein Abschluss ohne Anschluss“ der Bundesregierung oder das „Modell Eintopf“ der Gesellschaft für Beschäftigung im Kreis Viersen.
Schulung gehört dazu. Nur zehn bis 15 Jugendliche aus einem Jahrgang mit 100 Gesamtschülern nutzen das Patenprojekt; 22 „Patenkinder“ brachen die Begleitung vollständig ab, und auch bei den gestandenen Berufserfahrenen gaben einige auf. Sie stehen aber als Unterstützer im Hintergrund für Recherchen oder als Kontaktpersonen zu Firmen weiter zur Verfügung. „Unsere Anforderungen sind zu hoch geschraubt, was Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit angeht“, sagt Willi Leven schulterzuckend. Von Jugendlichen hätten sie sich anfangs an einem Wochenende erst einmal erklären lassen, wie die Altersgenossen „ticken“, und Schulungen für Ausbildungspaten gemeinsam mit den Paten aus Krefeld und Mönchengladbach genutzt. Austausch zur Problemlösung ist bis heute das Ziel der immer noch monatlichen Paten-Treffen.
Vom Erfolg sind alle Anwesenden überzeugt. Jan Corsten konnte nach einem Test unter 260 Berufen wählen, hatte aber früh den Kfz-Mechatroniker im Blick. Mit Hilfe von Willi Leven kam er zum Ziel. „Wir haben erstmal besprochen, was meine Gedanken sind, was ich machen möchte. Herr Leven zweifelte ein wenig“ – grinst er seinen Paten an. Der spiegelt den Gesichtsausdruck und sagt mit Blick auf den eher filigranen jungen Mann: „… nur aufgrund der körperlichen Konstitution.“
Sofort ist spürbar: Hier läuft es wie geschmiert. „Dann haben wir angefangen, alles zu besprechen, Praktika zu suchen…“ Beim regionalen Energieunternehmen, bei dem Jans Vater ebenfalls beschäftigt ist, bewarb er sich – natürlich hat Willi Leven kritisch mit auf das Bewerbungsschreiben geguckt. Test, Praktikum und so angenommen. „Ziemlich einfach und schnell erledigt“, meint Jan Corsten sichtlich zufrieden. Willi Leven klopft seinem Schützling auf die Schulter: „Er hat mir versprochen, dass er Kontakt hält. Ich darf ihn auch mal am Arbeitsplatz besuchen.“
Ebenso problemlos ging es bei Jans Kumpel Nico Janßen, der eigentlich im Metallbereich Mechatroniker werden wollte und „schlussendlich eine Lehre als Elektroniker für Energie und Gebäudetechnik“ absolviert. Sein Pate Helmut Bovenkamp „hat überall drübergeguckt“, hat Betriebe vorgeschlagen, letztlich endete auch Nico im selben Betrieb wie der Vater „…und das macht mir verdammt viel Spaß!“
INFO
Zum Jubiläum hatte die KAB Brüggen eingeladen unter dem Titel: „Mit Ausbildungspaten in den Beruf – Eine Erfolgsgeschichte“. Geschichte ist das Projekt aber nicht, denn sie soll weitergeschrieben werden. Wie im Handwerk allerorts üblich, fehlt es an Nachwuchs. Interessierte können sich an Willi Leven wenden unter Tel. 02157/72 04 oder via E-Mail: willi.leven@kab-bracht.de